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Willst du irgendwann mal ein besserer Chef oder Mitarbeter werden, ein glücklicheres Leben führen oder einfach nur die Welt ein bisschen besser verstehen? Dann brauchst du vor allem eine Fähigkeit: Empathie – die Bereitschaft und Fähigkeit, dich in andere Menschen einzufühlen. Doch es gibt auch einige Nachteile bei der Empathie.

Dich bevor wir dazu kommen, möchte ich eines grundsätzlich betonen:

Empathie ist grundsätzlich etwas Gutes.

Das zeigen zumindest die aktuellen Trends in den Titeln vieler Ratgeber. Die renommierte Wissenschaftlerin Tania Singer, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaft in Leipzig, empfiehlt „Mitgefühl in der Wirtschaft“.

Der Coach und Berater Andreas Graf sieht in Anteilnahme „das Führungsinstrument unserer Zeit“.

Werner Bartens, Wissenschaftsjournalist der Süddeutschen, ist überzeugt, dass einfühlsame Menschen „gesünder und glücklicher“ sind.

Und der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin plädiert schon lange für eine „empathische Zivilisation“.

Quellen:
www.social.mpg.de/tania-singer
www.rudolf-andreas-graf.com/
www.sueddeutsche.de/werner-bartens
https://de.wikipedia.org/wiki/Jeremy_Rifkin

Doch Vorsicht! Zu viel Empathie kann auch Probleme verursachen. Daher habe ich im Folgenden einmal sechs typische Nachteile von Empathie gelistet, wenn man es mit dem Einfühlungsvermögen ein wenig übertreibt:

1. NACHTEIL: Empathie belastet das Nervensystem

Wenn Du die Sorgen und Nöte Deiner Kollegen zu sehr an Dich heranlässt, kannst Du selbst in Schwierigkeiten geraten. Besonders in Berufen, die ohnehin viel Einfühlungsvermögen erfordern, wie in der Kranken- oder Altenpflege, passiert das häufig.

Menschen, die besonders einfühlsam sind, fühlen sich emotional oft überfordert.

Was auf den ersten Blick leicht klingt, ist in Wahrheit eine große Herausforderung: Sich in die Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen, kostet enorm viel Energie, schließlich nimmt man nicht nur seine eigenen Emotionen wahr, sondern auch die der anderen.

Studien zeigen, dass besonders empathische Menschen schneller ermüden und sich von ihrer Arbeit eher gestresst fühlen.

Der Grund dafür ist das Stresshormon Cortisol: Es wird bei empathischen Menschen stärker ausgeschüttet, denn Stress ist ansteckend – selbst dann, wenn wir ihn nur bei anderen beobachten.

Das hat die Forscherin Tania Singer 2014 in einer Studie gezeigt. Sie ließ 151 Teilnehmer komplizierte Kopfrechenaufgaben lösen und an stressigen Vorstellungsgesprächen teilnehmen, während ihre Leistung von scheinbaren Experten beurteilt wurde. Das wenig überraschende Ergebnis: Bei den meisten Teilnehmenden stieg der Cortisolspiegel deutlich an.

Spannend war jedoch, dass auch die empathischen Beobachter, die die Testsituation nur neutral verfolgt haben, eine erhöhte Cortisolausschüttung zeigten.

Selbst dann, wenn ihnen die gestresste Person völlig fremd war. Die Forscherin fasste zusammen: „Emotionale Verbundenheit kann empathischen Stress auslösen.“

2. NACHTEIL: Zu viel Empathie kann den Verstand torpedieren

Der Grad Deines Einfühlungsvermögen kann sich jederzeit verändern. Gleichzeitig hängt er auch von deiner aktuellen seelischen Verfassung ab. Du kannst es sogar zeitweise ganz abschalten. Dafür genügen manchmal schon einfache Schmerztabletten, wie Claus Lamm gezeigt hat.

Quelle: sueddeutsche.de/medizin-empathie

Deshalb ist Empathie allein kein verlässlicher Ratgeber, weder im Alltag noch im Beruf. Empathie entfaltet ihre Stärke erst in Kombination mit deinem Verstand.

Bei der Empathie kommt es auf die richtige Dosis an.

Ein Chirurg muss während einer Herzoperation kühl und konzentriert bleiben, danach aber die Angehörigen einfühlsam informieren.

Als Strafverteidiger brauchst du das Fingerspitzengefühl, zwischen nüchterner Parteinahme und respektvollem Umgang mit der Gegenseite zu balancieren.

Und als Vorgesetzter wird ein zu mitleidvolles Kündigungsgespräch genauso unangenehm empfunden wie ein gefühlloser Rauswurf.

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3. NACHTEIL: Empathie kann Angst vor dem Nein sagen auslösen

Die Gründe, warum es manchmal schwerfällt, Nein zu sagen, sind vielfältig. Einer der Hauptgründe ist die Angst vor Ablehnung: „Wenn ich ablehne, verliere ich Sympathien.“

Die Kehrseite der Empathie ist oft eine übertriebene Rücksichtnahme.

Es besteht möglicherweise die Angst, andere zu enttäuschen oder sie im Stich zu lassen. Gleichzeitig entsteht ein verzerrtes Selbstbild:

Empathische Menschen nehmen oft an, dass das Abschlagen eines Wunsches als herzlos oder egoistisch wahrgenommen wird.

Das ist natürlich eine Vorstellung, die niemand gerne vermitteln möchte. Dazu kommen häufig Verlustängste. Es wird befürchtet, dass ein Nein eine Freundschaft, eine Gehaltserhöhung oder sogar die Karriere gefährden könnte.

4. NACHTEIL: Deine Empathie kann dich manipulieren

Stell dir folgende Situation vor: Ein Zug rollt unaufhaltsam auf eine Weiche zu. Bleibt die Weiche unverändert, werden fünf Gleisarbeiter getötet, die hinter der Weiche arbeiten. Du kannst die Weiche jedoch umstellen und den Zug auf ein Nebengleis lenken. Dort befindet sich allerdings ein einzelner Arbeiter.

Was würdest du tun?

Dieser sogenannte Weichensteller-Test ist ein klassisches Experiment aus der Psychologie. Fast 90 Prozent der Teilnehmer entscheiden sich dafür, die Weiche umzulegen – mit der Begründung, dass fünf Leben wichtiger sind als eins. Doch in einer Vergleichsgruppe erfahren die Teilnehmenden mehr über den einzelnen Arbeiter: Er bekommt einen Namen, ein Alter, eine Familie.

Plötzlich wollen deutlich mehr dem einzelnen Menschen sein Leben retten.

Selbst dann, wenn das bedeutet, dass fünf andere sterben müssen.

Dieses Dilemma zeigt, wie leicht sich Empathie beeinflussen lässt. Sie folgt keinen festen moralischen Prinzipien, sondern wird oft von zufälligen Informationen oder Eindrücken gelenkt.

Ähnliche Herausforderungen kennen Entwicklungs- und Umweltorganisationen: Es ist einfacher, Spenden für ein rumänisches Patenkind oder ein verwaistes Tigerbaby zu sammeln als für abstrakte Projekte, die Armut oder das Artensterben effektiver bekämpfen könnten.

Einzelschicksale berühren empathische Menschen mehr.

Auch du solltest dir bewusst machen, wie Empathie deine Entscheidungen beeinflussen kann. Sie kann dazu führen, dass du irrational handelst – sei es aus Rücksichtnahme oder gut gemeinter Fürsorge. Zu viel Empathie kann dich blind machen und dazu bringen, sachliche Argumente zu übersehen und weniger rationale Entscheidungen zu treffen.

5. NACHTEIL: Zu viel Empathie kann dich einsam machen

Empathie ist kein endloser Vorrat: Wenn du dich tagsüber intensiv und übermäßig um die Sorgen deiner Kollegen kümmerst, kann es passieren, dass du abends emotional ausgelaugt nach Hause kommst. Das kann private Beziehungen stark belasten.

Eine Studie von Jonathon Halbesleben von der Universität Alabama aus dem Jahr 2009, die das emotionale Gleichgewicht von 800 Beschäftigten aus verschiedenen Branchen untersuchte – vom Friseur bis zum Feuerwehrmann –, zeigt genau das.

Quelle: books.google.de/emotionales+gleichgewicht

Ein gemeinsamer Nenner fiel auf: Mitarbeitende, die besonders gerne empathisch zuhörten oder ihre Kollegen mitfühlend unterstützten, hatten oft Schwierigkeiten, gute Beziehungen zu Freunden und Familie aufrechtzuerhalten. Mit anderen Worten:

Ihr Mitgefühl war im Berufsalltag bereits aufgebraucht.

Zwar ist ein gefühlskalter Chef abschreckend und erreicht sein Team nicht, aber zu viel Empathie kann ebenfalls schaden. Wenn ein Vorgesetzter zum Beispiel die schwierige familiäre Situation eines Mitarbeiters zu sehr berücksichtigt, verteilt er womöglich unfaire Mehrarbeit auf die anderen im Team.

Und ein Einkäufer, der aus Sympathie die nachlassende Leistung eines langjährigen Partners rechtfertigt, gefährdet das Unternehmen. „Empathie kippt schnell in Mitleid“, sagt auch Myriam Bechtoldt, Psychologieprofessorin an der Frankfurt School of Finance & Management, „und das hilft niemandem.“

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6. NACHTEIL: Empathie kann Korruption fördern

Empathie stärkt das Gemeinschaftsgefühl, kann jedoch innerhalb von Gruppen auch zu einer problematischen Solidarität führen:

Wer sich zu stark in Kollegen hineinversetzt, neigt dazu, deren Fehlverhalten zu tolerieren und sieht möglicherweise von einer kritischen Auseinandersetzung ab.

Dies kann Unternehmen, Gruppen und soziale Beziehungen erheblich schaden, da selbst schwerwiegende Vergehen wie Betrug oder Erpressung innerhalb eingeschworener Teams gedeckt werden können.

Francesca Gino von der Harvard Business School zeigte 2013 in einer Studie, dass Menschen eher bereit sind, zu lügen oder zu betrügen, wenn sie glauben, dadurch jemandem zu helfen, dem sie gegenüber empathisch eingestellt sind.

Quelle: www.hbs.edu/faculty/profile

7. Fazit

Empathie ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres sozialen Miteinanders, da sie die Brücke zwischen Menschen baut und es ermöglicht, Gefühle, Gedanken und Perspektiven anderer nachzuvollziehen. Doch wie jedes starke Werkzeug bedarf auch sie der Balance, um nicht zur Last zu werden.

Erst eine Empathie, die Maß hält und durch den Verstand gesteuert wird, kann ihre wahre Stärke entfalten.

Maßvolle Empathie bedeutet, die Gefühle anderer anzuerkennen, ohne sich selbst darin zu verlieren. Sie erlaubt es, aufrichtig Mitgefühl zu zeigen, während man gleichzeitig die eigenen Grenzen wahrt.

Kombiniert man Empathie mit klarem Verstand, entsteht eine kluge Form der Fürsorge.

Die nicht nur anderen hilft, sondern auch den eigenen Wohlstand bewahrt.

Der rationale Verstand dient hierbei als Anker: Er hilft, die richtigen Prioritäten zu setzen, Entscheidungen sachlich zu treffen und Empathie dort einzusetzen, wo sie sinnvoll ist. Diese Kombination macht es möglich, empathisch zu handeln, ohne dabei die Fähigkeit zu verlieren, auch schwierige, aber notwendige Entscheidungen zu treffen.

Letztlich ist die Mischung aus Empathie und Verstand eine Grundlage für ein erfülltes Leben.

Diese Balance schafft nicht nur Verbindung und Harmonie, sondern sorgt auch dafür, dass wir in unserem Handeln weise und nachhaltig bleiben. Sie zeigt:

Mitgefühl bedeutet nicht, sich aufzugeben, sondern in Balance zu leben – für sich selbst und für andere.

Luca Rohleder, Netzwerkgründer und Autor von:


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