Empathie könnte vielleicht das wichtigste Persönlichkeitsmerkmal unserer Zeit sein. In einer Welt, die sich ständig verändert, brauchen wir Halt und Orientierung. Dies können wir am elegantesten erreichen, in dem wir die Menschen, das Leben und die Welt besser verstehen lernen. Empathisch zu sein, ist dabei mehr als hilfreich.
Mehr Empathie bedeutet, einfühlsamer zu sein und sich besser, in die Lage des anderen versetzen zu können.
Indem wir diese Fähigkeit verbessern, können wir unsere sozialen Beziehungen auf ein höheres Niveau bringen, Konflikte harmonischer lösen und ein besseres Verständnis für das Leben per se entwickeln.
In diesem Artikel werde ich einige praktische Tipps und Techniken vorstellen, die dir dabei helfen können, zu erkennen, wie empathisch du bist und wie du diese Fähigkeit weiterentwickeln kannst.
Definition der Empathie
Gemäß „Dorsch – Lexikon der Psychologie, Verlag Hogrefe, Bern)“ ist Empathie folgendermaßen definiert:
Empathie ist das affektive Nachempfinden der vermuteten Emotion eines anderen Lebewesens auf Basis des kognitiven Verstehens dieser Emotion und bei Aufrechterhaltung der Selbst-Andere-Differenzierung. Affektives Nachempfinden beschreibt das innere Erleben von Emotionen, was zeigt, wie gut wir uns in andere hineinversetzen können. Kognitives Verstehen beschreibt das Erkennen von und die Einsicht in die (vermuteten) Ursachen der Emotionen des Anderen.
Quelle: https://dorsch.hogrefe.com
Umgangssprachlich könnte man auch sagen: Empathie ist die Fähigkeit zum Einfühlungsvermögen.
Die 3 Arten der Empathie
Die Psychologie unterscheidet bei Empathie drei Arten: Die emotionale, kognitive und soziale Empathie, um Menschen zu verstehen. Aber was bedeutet das genau?
1. Die emotionale Empathie:
Sie lässt dich die Gefühle und die Situation anderer Menschen nachempfinden. Du kannst leicht Mitgefühl zeigen und die Stimmung anderer überträgt sich oft auf dich selbst.
2. Die soziale Empathie:
Sie ermöglicht es dir, dich auf Menschen mit unterschiedlichen Eigenschaften einzustellen, ihr Verhalten zu verstehen und sogar zu beeinflussen – besonders innerhalb einer Gruppe.
3. Die kognitive Empathie:
Sie hilft dir, die Motive, Gedanken und Ansichten anderer zu verstehen. So kannst du besser voraussehen, wie sie sich in Zukunft verhalten werden.
5 Gründe, warum empathisch zu sein so wichtig ist
Wenn du ausreichend empathisch bist, kannst du:
1. Das Verhalten anderer voraussehen:
Wenn du empathisch bist, kannst du die Reaktionen und Handlungen anderer Menschen besser einschätzen und darauf vorbereitet reagieren. Das hilft dir, Probleme schon im Vorfeld zu erkennen bzw. zu vermeiden und mögliche Handlungsmuster anderer förmlich vorauszusehen.
2. Eigene emotionale Intelligenz stärken:
Durch Empathie entwickelst du ein besseres Verständnis für deine eigenen Emotionen und lernst, mit ihnen umzugehen.
3. Bessere Beziehungen aufbauen:
Indem du dich in die Gefühle und Gedanken deiner Freunde, Familie oder deines Umfelds hineinversetzt, verstehst du sie besser und du kannst ihre Handlungsmuster leichter nachvollziehen.
4. Positives bewirken:
Wenn du die Sorgen und Bedürfnisse anderer Menschen wahrnimmst, kannst du gezielter helfen und somit einen echten Unterschied in deiner Gemeinschaft machen. Dass Empathie hierbei eine Rolle spielt, ist offensichtlich.
5. Kommunikationsfähigkeiten verbessern:
Einfühlungsvermögen ermöglicht es dir, aufmerksamer zuzuhören und klarer zu kommunizieren, was zu tiefergehenden und bedeutungsvolleren Gesprächen führt.
Empathie ist also nicht nur für andere wichtig, sondern bereichert auch dein eigenes Leben auf vielfältige Weise.
Der kleine Empathie-Test: Bin ich ausreichend empathisch?
Die neutrale Messung von empathischen Fähigkeiten ist natürlich sehr schwierig. Aber es gibt Anhaltspunkte: Zahlreiche Missverständnisse mit anderen, zu viele soziale Konflikte im Leben oder sogar gesellschaftliche Isolation sind typische Indizien, dass jemand an seiner Empathiefähigkeit arbeiten sollte.
Wenn du Schwierigkeiten hast, die Emotionen und Perspektiven anderer zu verstehen, wirst du wahrscheinlich regelmäßig unpassend in bestimmten Situationen reagieren oder permanent von Handlungsmustern anderer überrascht sein – im Positiven wie auch im Negativen.
Vielleicht bist du einem traurigen Freund schon einmal mit Gleichgültigkeit begegnet, weil du seine Traurigkeit einfach nicht bemerkt hast? Oder du machst oft Bemerkungen oder sogar Witze, die in deinem Umfeld auf Unverständnis stoßen. Vielleicht tappst du auch von einem Fettnäpfchen in das nächste?
Ein Mangel an sozialem Bewusstsein ist ebenfalls ein Indikator für zu wenig Empathie.
Du erkennst vielleicht nicht, wenn du andere verletzt oder beleidigst.
Ein weiteres Anzeichen ist eine übertriebene Selbstbezogenheit, das heißt du beziehst alles und jeden auf dich, wie zum Beispiel:
- Du denkst, dass sich der Nebentisch über dich unterhält.
- Du hörst eine Ansprache an eine Gruppe und glaubst, dass besonders du angesprochen sein könntest.
- Oder du hast permanent das Gefühl, dass andere besonders dich beobachten.
- usw.
Es gibt sogar Menschen, die noch nicht einmal die Augenfarbe ihres Gesprächspartners bemerken, ganz zu schweigen davon, dass sie sich nicht an irgendeine Augenfarbe eines Menschen ihres Umfelds erinnern können.
Wenn du Gespräche oft auf dich selbst lenkst und wenig Interesse an den Erlebnissen und Gefühlen anderer zeigst, könnte das auch ein Hinweis sein, dass du Schwierigkeiten hast zuzuhören und dazu tendierst, nur deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu sehen.
Es könnte aber auch sein, dass nicht du es bist, der an einem Mangel an Empathie leidet, sondern jemand in deinem Umfeld davon betroffen ist. Dann wird dir bei deinem Gegenüber Folgendes auffallen:
- Mangel an zwischenmenschlicher Kompetenz.: Ein Freund erzählt jemandem von einem stressigen Tag und die andere Person wechselt sofort das Thema, ohne auf die geäußerten Gefühle einzugehen.
- Fehlende Anteilnahme bei Problemen: Ein Kollege berichtet von familiären Schwierigkeiten, und die einzige Reaktion ist ein achselzuckendes „Das passiert jedem mal“, ohne weitere Unterstützung oder Trost anzubieten.
- Egozentrische Gespräche: Während einer Unterhaltung erzählt jemand ständig von seinen eigenen Erlebnissen und Problemen, ohne nach den Erfahrungen oder dem Wohlbefinden des Gesprächspartners zu fragen.
- Unangemessenes Verhalten in sozialen Situationen: Bei einer Trauerfeier oder ähnlichen Situationen macht jemand unpassende Witze oder zeigt offenkundig Desinteresse an der Stimmung und den Gefühlen der Anwesenden.
- Verweigerung von Hilfe: Eine Person wird um Unterstützung gebeten, und die spontane Antwort lautet lediglich „Ich habe keine Lust (oder keine Zeit)“ oder Ähnliches, ohne sich über nähere Umstände zu erkundigen oder Nachfragen zu stellen.
Falls du jemand in deinem näheren Umfeld kennst, der augenscheinlich weniger empathisch ist, teile diesen Beitrag bzw. lasse ihm den Link dieses Artikels zukommen – sozusagen als kleiner „Wink mit dem Zaunpfahl“.
6 einfache Methoden, um mehr Empathie zu entwickeln
Wie gesagt, Menschen, die ausreichend empathisch sind, können sich selbst, andere, aber auch die Welt und das Leben per se besser verstehen.
Doch wie kann man seine empathischen Fähigkeiten weiterentwickeln?
Leider haben manche Menschen aufgrund ihrer speziellen Hirnstruktur oder bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen leider Schwierigkeiten, echte Empathie zu empfinden zu können. Narzissten oder Soziopathen zum Beispiel können zwar nachvollziehen, wie andere sich verhalten, aber wirklich mitfühlen und mitschwingen können sie leider nicht. Dieses genetische Defizit betrifft jedoch nur einen vernachlässigbar kleinen Prozentsatz unserer Gesellschaft.
Nur sehr wenige Menschen leiden tatsächlich an einer ernsten Persönlichkeitsstörung.
Vielmehr geht es meist um mangelndes Training bzw. Defizite, seine eigene Persönlichkeitsentwicklung voranzubringen. Das heißt, die Masse hat durchaus die Möglichkeit, ihre Fähigkeit, empathisch zu fühlen, zu denken und zu handeln, durch einfache Übungen weiterzuentwickeln.
Es gibt verschiedene Methoden und Techniken, die dabei helfen können, Empathie als eine wichtige soziale Stärke zu fördern. Hier sind 6 Tipps für den Alltag, die dich schnell noch empathischer werden lassen:
1. Investiere mehr Zeit:
Studien zeigen, dass sich andere wohler fühlen, wenn sie über ihre Erfolge und Misserfolge offen sprechen können. Empathische Menschen nehmen sich mehr Zeit für ihre Mitmenschen, damit sie sich alles von der Seele reden können – egal, ob Triumph oder Niederlage.
Praxisbeispiel:
Stell dir vor, dein Freund hat gerade ein wichtiges Projekt abgeschlossen und möchte seine Erfahrungen teilen. Du gibst ihm die Zeit und den Raum, seine Freude oder auch seine Herausforderungen mit dir besprechen zu können. Indem du richtig zuhörst und seine Emotionen verstehst, stärkst du eure Verbindung und unterstützt ihn dabei, seine Erlebnisse zu reflektieren und zu verarbeiten. Das stärkt deine Empathiefähigkeit.
2. Lass andere aussprechen
Zum „Zeit nehmen“ zählt natürlich auch das „Aussprechen lassen“: Wenn wir andere aussprechen lassen, signalisieren wir damit, dass wir Geduld haben und ihre Gedanken wertschätzen. Mit etwas Empathie erkennen wir schnell, warum es wichtig ist, anderen Raum zu geben, um ihre Ansichten und Ideen vollständig auszudrücken.
Praxisbeispiel:
Mal angenommen, du bist in einem Brainstorming-Meeting, in dem verschiedene Vorschläge diskutiert werden. Indem du deine Kollegen aussprechen lässt, zeigst du Respekt für ihre Perspektiven und förderst eine offene Diskussionskultur. Dadurch fühlen sich alle gehört und können ihre Gedanken konstruktiv einbringen, was letztlich zu besseren Entscheidungen und Ergebnissen führt.
3. Sieh genauer hin:
Dein Gehirn reagiert auf die Emotionen anderer Menschen. Wenn du deine Empathie trainieren möchtest, kannst du einfach genauer hinsehen. Je genauer du Mimik, Gestik und Tonfall beobachtest, desto besser und schneller kannst du andere Menschen allein durch non-verbale Signale verstehen.
Praxisbeispiel:
Stell dir vor, du sitzt in einem Café und beobachtest eine Unterhaltung zwischen zwei Personen. Du bemerkst, dass eine Person lächelt und einen freundlichen Tonfall hat, während die andere Person die Augenbrauen zusammenzieht und die Arme verschränkt. Durch dein aufmerksames Beobachten erkennst du, dass die zweite Person möglicherweise verärgert oder gestresst ist, obwohl sie nichts direkt gesagt hat. Dieses Training, die Emotionen anderer durch ihre non-verbalen Signale besser zu verstehen, hilft dir, empathischer zu werden.
4. Höre besser zu:
Fasse in einer Unterhaltung ab und zu kurz zusammen, was dein Gesprächspartner gesagt hat, damit er weiß, dass er verstanden wurde. Du kannst aktiv zuhören, indem du subtil die Gesten oder die Mimik deines Gegenübers bemerkst. Denn wenn uns jemand sympathisch ist, neigen wir dazu, uns automatisch am Kopf zu kratzen, wenn unser Gegenüber das tut. Ein Psychologe könnte dies als ein Zeichen von Empathie erklären. Deshalb steigert das bessere Zuhören das subjektive Wohlbefinden – sowohl bei unserem Gegenüber als auch bei uns selbst.
Praxisbeispiel:
Stell dir vor, du hast ein wichtiges Gespräch mit einem Kollegen über ein Projekt. Während er spricht, nickst du ab und zu und spiegelst seine Körperhaltung leicht. Dadurch zeigst du deinem Kollegen, dass du richtig zuhörst und seine Worte ernst nimmst, was eine wichtige zwischenmenschliche Kompetenz ist. Das schafft eine bessere Verbindung und verbessert das Gesprächsklima, was letztendlich zu einem erfolgreichen Austausch führt.
5. Sei offen:
Wahre Empathie entsteht immer dann, wenn du dich ohne Vorurteile und Bewertungen mit anderen Menschen auseinandersetzt. Forscher gehen davon aus, dass offene Menschen glücklicher, gesünder und kreativer sind, was oft mit ihrer Fähigkeit zur Empathie erklärt wird. Zudem scheinen offene Menschen in einer ganz anderen Realität zu leben als ihre Zeitgenossen, die weniger Interesse an neuen Eindrücken und Erfahrungen haben. Durch ihre Empathie nehmen offene Menschen ihre Umwelt auf einem intensiveren Level wahr.
Praxisbeispiel:
Stell dir vor, du bist in einer Gruppendiskussion über neue Ideen für ein Projekt. Während einige Teilnehmer skeptisch sind und alte Methoden bevorzugen, zeigt ein offener Kollege echtes Interesse an neuen Ansätzen und Ideen. Er stellt Fragen, um die Gedanken der anderen zu verstehen, und bringt neue Perspektiven ein. Seine empathische Art, sich ohne Vorurteile mit den Ideen der Gruppe auseinanderzusetzen, fördert eine offene und kreative Diskussionsatmosphäre, die für alle Teilnehmer bereichernd ist.
6. Offene Fragen stellen
Wenn du W-Fragen stellst, also offene Fragen mit „Wie“, „Was“, „Warum“, „Wieso“ etc. verwendest, kannst du schneller in die Tiefe gehen. Dein Gegenüber kann seine Gedanken entfalten und ausführlicher erzählen, im Gegensatz zu einer Ja- oder Nein-Frage.
Praxisbeispiel:
Stell dir vor, du bist als Berater in einer Sitzung und möchtest verstehen, wie sich ein Klient in bestimmten Situationen fühlt. Anstatt zu fragen „Fühlst du dich gestresst?“, könntest du fragen „Wie fühlst du dich in dieser Situation?“, „Was geht in dir vor?“, „Warum hast du dich deiner Meinung nach so gefühlt?“. Dadurch ermutigst du den Klienten, seine Gefühle detaillierter zu beschreiben und ermöglichst ihm, die Tiefe seines Erlebens besser zu erforschen.
Empathisch zu sein, fördert dein Verständnis für dich selbst und für andere – und damit auch das grundsätzliche Verständnis für Leben.
Viel Erfolg dabei …
Luca Rohleder, Gründer des NETZWERKs und Autor von:
LUCA ROHLEDER
Die Liebe empathischer Menschen
Bessere Beziehungen, mehr Selbstliebe und weniger Liebeskummer für sensible Menschen
ISBN 9783982212081
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